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  24.11.2003

Dem Schmalfilm treu geblieben

Ernst Wolfer, 1923 in Oberuzwil im Kanton St. Gallen geboren und heute in Wädenswil am Zürichsee wohnhaft, ist ein Amateurfilmer der ersten Stunde. Bereits in der frühen Vierzigerjahren dreht der junge Student im Auftrag eines Familienfreundes die ersten Filme auf 9,5 mm («Vereidigung von Luftschutz und Ortswehr» 1941, «Anbauwerk – zur Steigerung der Lebensmittelproduktion» 1943 u.a.), 1944 schenken ihm seine Eltern die erste Filmausrüstung. Im Laufe der Zeit durch bessere Apparate ersetzt, wird die Filmkamera zu einem ständigen Begleiter auf Reisen sowie bei privaten und öffentlichen Ereignissen. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Sekundarlehrer hat Ernst Wolfer für diverse Zeitschriften und Zeitungen zahlreiche Artikel zum Thema Film und Foto verfasst.

Ernst Wolfer ist zudem der Autor der auf Super8site veröffentlichten Serie «9,5 mm – das erste Amateurfilmformat».

Interview von Beatrice Jäggi

Super8site: Herr Wolfer, Sie sind auch heute noch ein überzeugter Super-8-Filmer. Wann haben Sie Ihre letzte Super-8-Kassette belichtet?
Ernst Wolfer: Ich war vor ein paar Wochen in Bayern. Da habe ich Aufnahmen von Tieren in einem Freigehege und in einer Glasbläserei in Zwiesel, einer kleinen Stadt im Bayrischen Wald, gemacht. Das wird meinen Film Nr. 122 ergeben.

Und das Filmmaterial, wird das zusammen geschnitten?
Ja, die Filme werden geschnitten und vertont, so, wie ich das mit all meinen Filmen mache.

Zu dokumentarischen Zwecken?
Wenn Sie das so nennen wollen – meine Filme sind aber keine ambitionierten Meisterwerke. Ich filme für mich selbst, auf Reisen oder an einem Familienanlass.

Sie sind seit den frühen Vierzigerjahren ein aktiver Amateurfilmer. War es zu jenen Zeiten etwas besonderes, eine Filmkamera zu besitzen?
Es war schon etwas Besonderes. In der Öffentlichkeit wurde ich auch oft mit meiner Kamera bestaunt. Filmen war vor allem ein teures Hobby. Eine einfache Kamera wie z.B. die erste Pathé-9,5-mm-Kamera kostete im Jahre 1925 108 Franken, was auf heute umgerechnet 1‘800 Franken ergeben würde. Das Filmmaterial war entsprechend teuer. Auch wenn diese Geräte im Laufe der Zeit immer billiger wurden, hab ich mich schon ein paar Mal gefragt, wie ich das alles bezahlt habe. Aber wenn man einem Hobby verfallen ist, schränkt man sich halt woanders ein.

Woher holten Sie sich das nötige Knowhow?
Mein Wissen bezog ich aus Gratis-Infoblätter, z.B. von Agfa, aus Amateurfilmzeitschriften, Fachbüchern und natürlich durch meine Mitgliedschaft bei diversen Filmclubs.

Sie waren in diversen Amateurfilmclubs aktives Mittglied.
Ja, ca. 1945 bin ich den Filmclub St. Gallen beigetreten, und später wechselte ich zum Club Rheintal. Von 1960 an war ich Mitglied des «Filmclub Zürileu», bis dieser im Jahre 1982 aufgelöst wurde. Seither bin in im Amateufilmklub Rapperswil-Jona aktiv.

Welche Rolle spielten diese Vereine zu den Pionierzeiten des Amateurfilms?
Der gesellschaftliche Aspekt war natürlich sehr wichtig. Es wurden immer wieder Gemeinschaftsproduktionen realisiert, so ganz nach dem Motto drei Kameras sehen mehr als nur eine ...

... und über die Technik gefachsimpelt?
Und wie! Technische Probleme gab es ja schliesslich zuhauf. Ein viel diskutiertes Thema z.B. war, wie der Ton ab Band möglichst synchron zum Film laufen gelassen werden kann. Es gab auch einige Tüfftler, die ihre Projektoren mit Vorrichtungen ausstatteten, die diesem Bestreben sehr nahe kamen. Der Erfindungsgeist war oft gefordert.

Gab es damals noch keine Filmkameras, mit denen der Ton beim Drehen aufgenommen werden konnte?
Nein, die vorbespurten Schmalfilme hatte erst Kodak beim Super-8-Film eingeführt.

Welche Rolle spielte das Super-8-Filmformat im Amateurfilm?
Eine enorme Rolle! Heute kann man sich kaum mehr vorstellen, wie umständlich das Filmen mit den damals gängigen Amateurfilmformaten 9,5 mm oder Normal-8-mm war. Die Filme mussten manuell über die Perforationstrommeln und Andruckplatte in der Kamera eingefädelt werden, automatische Belichtung gab es noch keine, und die Kamera musste stets mit einem Federwerk aufgezogen werden. War man mit allem endlich bereit, war der Umzug meist schon wieder vorüber. Als Mitte der Sechzigerjahre Super 8 auf den Markt kam, war alles schlagartig viel einfacher! Kassette einlegen und losfilmen. Super 8 war im Schmalfilmbereich eine revolutionäre Neuerfindung.

Vergleichbar mit den derzeitigen Aufkommen des Digital-Videos?
Absolut. Der Normal-8-mm-Film galt lange als Konkurrenzprodukt zu 9,5 mm, konnte diesen jedoch nie ganz vom Markt verdrängen. Als Super 8 aufkam, stellten dann aber sehr viele Amateurfilmer auf das neue Filmformat um. Super 8 hat von allen Seiten Filmer abgezogen. Sogar aus dem 16-mm-Bereich. Ich selbst bin 1970 von 9,5 mm auf Super 8 umgestiegen.

Normal-8-mm ist heute ganz vom Markt verschwunden.
Es gibt noch wenige Kleinfirmen, die Normal-8-mm-Filmmaterial zum Verkauf anbieten. Tatsächlich läuft auf diesem Segment nicht mehr viel. Etwas anders sieht es beim 9,5-mm-Film aus. In Bern wurde 1953 ein 9,5-mm-Filmclub gegründet, der heute noch existiert und der seit seiner Gründung nur Anhänger des 9,5-mm-Formates aufnimmt. Neuerdings gibt es jedes Jahr ein europaweites 9,5-mm-Festival.

Kameras und Filme werden also immer noch produziert?
Nicht ganz. Bei den Kameras handelt es sich um umgebaute 16-mm-Kameras und das Labor Ciné Dia in Paris konfektioniert noch drei verschiedene Fuji-Farbfilme auf 9,5 mm. Dort können die Filme dann auch entwickelt werden. (Siehe alle Adressen in Spalte nebenan.)

Wie hat sich das Aufkommen von Video in der Amateurfilmszene ausgewirkt?
Das hatte damals in vielen Amateufilmclubs zu einer regelrechten Krise geführt. Viele der alteingesessenen Schmalfilmer wehrten sich gegen die neue Videotechnik, und in vielen Clubs waren Videofilmer lange gar nicht zugelassen. Das hatte in erster Linie zu einer Überalterung der Clubs beigetragen.

Mittlerweile hat sich Video aber längst etabliert.
Heute spielt Super 8 in den Amateurfilmclubs nur noch eine sekundäre Rolle. In den vergangenen Jahren sind sehr viele auf Video umgestiegen.

Und eine jüngere Generation hat nachgezogen?
Das ist leider nicht der Fall. Zwar gibt es immer wieder Anfragen auch von ganz jungen Leuten, aber wenn sich am Telefon herausstellt, dass wir keinen Schnittplatz zur Verfügung stellen, ist die Sache in der Regel gelaufen. Ich habe auch den Eindruck, dass sich die jüngere Amateurfilmgeneration anders organisiert.

Hatten Sie nie daran gedacht, selbst auf Video umzusteigen?
Natürlich habe ich mir irgendwann diese Frage gestellt. 1988, etwa zwei Jahre nachdem die Produktion von Super-8-Kameras und -Projektoren eingestellt wurde, hatte ich mir eine Video-Kamera ausgeborgt und erste Versuche damit gemacht.

Das Filmen mit Video hat Sie aber nie wirklich überzeugt?
Was soll ich dazu sagen. Ich hatte eine sehr gute Super-8-Ausrüstung und der Umstieg auf Video hätte einen beachtlichen finanziellen Aufwand mit sich gebracht. Angesichts dessen, hatte sich noch lange mancher Filmer überlegt, ob er wirklich umsteigen soll.

Tatsache ist aber, dass der Minutenpreis des Filmmaterials bei Video um ein Vielfaches tiefer liegt als bei Super 8.
Auf den ersten Blick betrachtet, mag das so sein. Wenn jedoch die gesamten finanziellen Investitionen in die Filmausrüstung mit gerechnet wird, sieht das wieder ganz anders aus. Die Anpassungen an laufend neu auf den Markt geworfene Videosysteme, von VHS über Super-VHS bis Hi-8 und dem Digital-Video, haben auch ihren Preis. Kürzlich kam einer zu mir und sagte, er habe während der vergangenen Jahren in Neuinvestitionen in seine Videoausrüstung gegen 10‘000 Franken investiert. Für dieses Geld kann ich noch mache Super-8-Kassettte belichten.

Die Produktion von Super-8-Kameras und -Projektoren wurde schon bald nach dem Aufkommen von Video eingestellt. Hatte Super 8 damals vor der anrollenden Videowelle bedingungslos kapituliert?
Die Industrie reagierte sehr schnell auf das Aufkommen von Video. Bereits im Jahre 1986 wurden an der «Fotokina» in Köln, der grössten Fotomesse in Europa, keine Schmalfilm-Kameras- und -Projektoren mehr ausgestellt – um ein Beispiel zu nennen. Abgesehen von einigen Kleinserien weniger bekannter Hersteller, gab es schon damals keine Neukonstruktionen mehr. Die Super-8-Industrie hatte weitgehend kapituliert. Viele Amateurfilmer wechselten zum neuen System, aber es gab auch einen beachtlichen Rest, der bei Super 8 blieb oder paralell mit Video weiterführte. Dieser Umstand wird auch durch die Tatsache belegt, dass Kodak weiterhin Super-8-Filme produziert und die Palette sogar erweitert hatte.

Es gibt auch heute noch gute Argumente, die für den Zelluloid-Film sprechen.
Ja. Ein wichtiges Argument ist natürlich die Haltbarkeit der Filme. Ich habe viele Filme, die selbst nach fünfzig Jahren noch aussehen als wären sie eben gedreht worden. Fragen Sie mich nicht, wo all die Videobänder in fünfzig Jahren sind, die heute aufgenommen werden. Das elektronische Zeugs fällt mit der Zeit auseinander.

Der Kodachrome-40-Film, den es heute auch noch als Super-8-Film gibt, ist für seine Beständigkeit punkto Farben bekannt.
Kodak spricht von einer Haltbarkeit von 100 Jahren. Diesen Film gabs früher übrigens auch als 9,5-mm- und Normal-8-Film. Ein wirklich gutes Material.

Hat sich in all den Jahren so etwas wie ein Filmarchiv bei Ihnen angesammelt?
Es hat sich in all den Jahren, in denen ich mich für den Schmalfilm engagiert habe, tatsächlich einiges angesammelt. Persönliche Aufnahmen und Filme, die ich über die Zeit «geerbt» habe. Leider kommt es immer wieder vor, dass alte Filme, sei es Super 8 oder andere Schmalfilme, weggeworfen werden. Das kann ich überhaupt nicht verstehen!

Haben diese Filme einen historischen Wert?
In meiner Sammlung hat es einige Filme, die einen historische Wert haben. Eine 9,5-mm-Dokumentation der «Landi 1939» in Zürich, damals vom Filmklub St. Gallen realisiert und über Umwege in meine persönliche Sammlung geraten, wäre bei einer Räumungsaktion beinahe im Kübel gelandet. Unglaublich!

Das Projekt «SuperAargau» hat ein sehr schönes Filmprogramm mit Amateuraufnahmen aus den Kanton Aargau von den Dreissiger- bis Siebzigerjahre zusammengestellt. Das Programm wurde auch in der Stadt Zürich gezeigt und fand einen sehr grossen Anklang.
Davon habe ich gehört.

Die Organisatorinnen uns Organisatoren sind nun daran in Zusammenarbeit mit den Staatsarchiv ein umfassendes Archiv mit alten Amateurfilmen aufzubauen.
Eine gute Sache. Es gibt übrigens noch weitere Stellen, die alte Amateur-Schmalfilme entgegen nehmen. Das Stadtarchiv in Zürich und die Cinémathèque Suisse bei Lausanne.

(Das Interview wurde im August 2003 in Wädenswil geführt.)


Überblick der Filmformate

9,5 mm: In den Zwanzigerjahren vom französischen Hersteller Pathé entwickeltes Schmalfilmformat. Die Perforation befand sich nicht am Rand, sondern in der Mitte des Film zwischen den Bildern. Daraus ergab sich eine grössere Bildfläche und eine entsprechend bessere Bildqualität. Es fand vor allem in Frankreich Verbreitung.

Normal-8-mm: Um in Folge der weltweiten Wirtschaftsrezession während der Dreissigerjahre die Preise für das Filmmaterial erheblich zu senken, entwickelte Kodak den Normal-8-Film. Dafür wurde der herkömmliche 16-mm-Film halbiert.

Super-8-mm: Der 1965 von Kodak lancierte Super-8-Film ist heute der einzige im Handel noch erhältliche Schmalfilm, und er ist die Weiterentwicklung des Normal-8-mm-Films. Da die seitliche Perforation sehr viel kleiner ist, konnte die Bildfläche um 30 Prozent vergrössert werden.


Für Ernst Wolfer gibt es auch heute noch gute Gründe auf Super 8 zu filmen.


Super 8 ist supereinfach! Für das neue bedienungsfreudliche Schmalfilmformat wurde die «technisch unkompetente» Frau zur gern gesehenen Werbeträgerin. Kodak-Werbung aus einem deutschen Prospekt, 1974.


Adressen:

Labor für 9,5-mm-Film
Cine Dia Laboratories
55 Avenue Joffre
93800 Epinay sur Seine
France
Tel. ++33 14841 3625
Fax ++33 14841 3803

Cinémathèque suisse
Casa Postale 2512
1002 Lausanne


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