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  19.3.2002
9,5mm – das erste Amateur-Filmformat (Teil 8)


Der Welterfolg mit 9,5 mm

Von Ernst Wolfer

Der erste Projektor, Pathé-Baby genannt, kam an Weihnachten 1922 auf den Markt und fand einen reissenden Absatz. Bald wurden dann auch schon die ersten grossen Spielfilme auf 9,5 mm umkopiert. Das Heimkino war erfunden!

Der erste Projektor, Pathé-Baby genannt, kam an Weihnachten 1922 auf den Markt. Er kostete Fr. 95.- und fand einen reissenden Absatz. Urspünglich dacht Charles Pathé nur an einen Projektor, zu dem er eine steigende Zahl von Leih- und Kauffilmen produzierte. Kinofilme wurden auf 9,5 mm umkopiert, und so waren Grossfilme wie «Nibelungen», «Metropolis» u.a. zum neuen Projektor erhältlich, aber auch Charly Chaplin, Max Linder, Harold Lloyd u.a. erfreuten die ganze Familie.
Mietpreise für eine 100-m-Spule: Fr. 3.- für 3 Tage (1957), Tonfilme (Lichtton! 1942): franz. gesprochen: Fr. 4.- die 125-m-Spule für 3 Tage.

Was heute das Fernsehen ist, das war damals das neue Medium Film. «Cinéma chez soi», also Kino zu Hause, hiess der Reklamesatz. Der mit Handkurbel betriebene Projektor war mit einer Lampe 12V/0,5A = 6 Watt bestückt. Die Filme, in Metallhüllen sog. Galettes geliefert, fassten 10 m Film und waren in eineinhalb Minuten durch. Für ein grosses Werk waren somit 10–20 Spulenwechsel nötig.

Filmmaterial war teuer, es musste gespart werden. Für die Projektion der Zwischentitel hatte Pathé das System der «Kerbtitel» erfunden: Neben dem Titel war das Filmband etwas eingekerbt. Stand dieses Bild vor dem Bildfenster, rastete ein Nocken in die Kerbe ein, der Film stand still, man kurbelte aber weiter. Nach einigen Umdrehungen - der Titel war gelesen worden - wurde der Nocken automatisch zurückgezogen und der Film lief weiter. Selbst ein längerer Text konnte so mit einem einzigen Bild projiziert werden.

Erste Kamera
Doch viele Filmer wollten auch selber aufnehmen. So erschien am 1. April 1923 die erste Kamera mit Handkurbel. Noch heute sagt man ja «einen Film drehen». Das ging natürlich nur auf einem soliden Stativ. Und dann bitte schön gleichmässig, immer zwei Umdrehungen pro Sekunde. Also mitgezählt 21..22..23..24.. usw. Das Objektiv 1:3,5 war ein Fixfokus, so ab 2 m war alles scharf. 9 m Film in Metallkassette waren auch bei Sonnenschein rasch gewechselt. Und das für ein Hunderternötli!

Natürlich war das häufige Wechseln der Galettes kein Vergnügen. Bald erschien ein Projektionsapparat mit 100-m-Spulen auf den Markt. Wenn schon gekurbelt wurde, dann konnte damit ja auch ein Dynamo betrieben werden, der den nötigen Strom lieferte. Doch bald einmal wurden Kamera und Projektor motorisiert, der Projektor via Lichtnetz, die Kamera mit einem Federwerk. Der Lichtton hielt 1936 Einzug, der Magnetton folgte 1953, der Kodachrome-Farbfilm 1949. Die Projektoren steigerten die Lichtfülle von den anfänglichen 60 Watt auf 500 Watt und mehr.

Bald einmal erkannten auch andere Firmen die Möglichkeiten von 9,5-mm und stiegen in den wachsenden Markt ein: Bolex in der Schweiz, Eumig in Österreich, Nizo in Deutschland u.a. produzierten Geräte. Kodak, Gevaert und Ferrania u.a. lieferten Filmmaterial. Lossau zählt 21 verschiedene Marken auf. So verbreitete sich 9,5-mm in Europa. Über die französischen Kolonien kam es in andere Kontinente, ja sogar nach Japan.

J. Guillon berichtet, wie er am französischen Lyzeum in Addis Abeba (Äthiopien) selbstgedrehte Filme auf seinem Pathé-Baby-Projektor dem Kaiser Haile-Selassie vorführte. - Ich selber habe 1949 in der algerischen Wüste, in Bou-Saada, bei «Photo Max» meinen Vorrat an 9,5-mm-Filmen ergänzt.

Welches war das erste Amateuformat? Erste Filmer haben das Normalformat (35-mm) verwendet. Auch das «Halbformat» 17,5-mm fand seine Anhänger. Aber eine grosse und weltweite Verbreitung fand erst 9,5-mm. So kann man es mit Fug und Recht als «erstes Amateurformat» bezeichnen. (Fortsetzung folgt)


Projektor Pathé-Baby 1922.


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